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Der Pöllnitzer Brudermord im Jahr 1563 und die Geschichte mit dem Sühnekreuz auf einem Braunsdorfer Acker sowie einem besonderen Stein unter dem Fuß der ehemaligen Tischendorfer Windmühle.
Vor ungefähr 450 Jahren hatte sich ein Zweig der Adelsfamilie von Pölnitz auch in Tischendorf/Thür. angesiedelt. Die von Pölnitz waren uralter Ministerialadel, sprich Beamtenadel und hatten sich in den vergangenen Jahrhunderten im östlichen Orlagau und der ostwärts anschließenden Pöllnitz-Senke stark ausgebreitet, ihre Besitzungen umfassend vermehrt und ihren politischen und wirtschaftlichen Einfluss bedeutend erhöht. Die Rittergüter reichten bald nicht mehr aus, liest man in den alten Schriften, und so erwarben sie auch in dem Dorf Tischendorf einen Adelssitz. Das Gut und Dorf gehörte bis ca. 1582 dem Melchior Dietrich v. Pölnitz, der auch in Braunsdorf noch ein besonderes Hofgut besaß und über seine Untertanen auch die Gerichtsherrschaft ausübte. Später wurde dieses Gut mit dem Rittergut Braunsdorf/Thür. unter Besitz derer von Meußebach vereinigt. Tischendorf wurde 1979 nach Braunsdorf eingemeindet. Eingepfarrt war es ohnedies schon längst.
Im Jahr 1563 entstand wahrscheinlich unter den Mitgliedern im Familienverband Ober- u. Mittelpöllnitz, aus dem auch Melchior Dietrich entstammte, ein großer Streit dessen Ursachen allerdings unbekannt sind. Die Folge jedenfalls war, dass der in Mittelpöllnitz wohnende Caspar v. Pölnitz am 7. Juni 1563 (Montag nach Trinitatis) seinen Bruder Bernhard v. Pölnitz auf dem Nachhauseweg nach Tischendorf, hinter dem Ort Braunsdorf erschoss. Ein Unfall oder war es Mord? Eine eindeutige Klärung konnte nie erfolgen. Caspar v. Pölnitz saß auf dem Vorwerk zu Mittelpöllnitz, und Bernhard v. Pölnitz zu Mittelpöllnitz wohnte z.Z bei seinem Vetter Balthasar v. Pölnitz zu Tischendorf, dem Vater von Melchior Dietrich. Der Mörder (?) ergriff daraufhin die Flucht und musste sich 20 Jahre außer Landes, fern der Heimat und der Seinen, in der Fremde aufhalten. Er nahm Kriegsdienste in den Söldnerheeren des spanischen Königs an. Inzwischen ging sein väterliches Gut beinah zugrunde und Frau u. Kinder führten ein jämmerliches Leben. Durch Vermittlung seiner einflussreichen Vettern und Freunde beim sächsischen Landesherrn Kurfürst August (R.1553-1586), gelang es endlich, 1582 eine Versöhnung zwischen den Familien und den Kindern des Bernhard v. Pölnitz herbeizuführen. Caspar v. Pölnitz stellte an den Landesherrn und an die Familie ein demütiges Bittgesuch und konnte durch die Fürsprache vieler Verwandter, vor allem auch aus dem einflussreichen Haus Schwarzbach, vertreten durch Hans Bruno v. Pölnitz, kursächsischer u. fürstlich-bambergischer Rat und Amtshauptmann zu Senftenberg, die Begnadigung und Erlaubnis erreichen, zu seiner Familie zurückzukehren. Unterschrieben und unterstützt wurde das Bittgesuch von 12 Adelspersonen, vorrangig derer von Pölnitz.

Was hat das aber nun mit dem Sühnekreuz und einem Stein zu tun?
Auf der Braunsdorfer Höhe mit ca. 416 m über N.N. stand bis vor wenigen Jahren eine Windmühle, ca. 1820 erbaut. Der Bock der Windmühle stand auf festen Steinen, unter denen einer, da er behauen ist, besonders auffiel. Der frühere Windmüller Scheibe erzählte stets, dass dieser Stein ursprünglich ein Denkmalstein gewesen wäre und auf einem Acker gestanden habe zur Erinnerung an einen Brudermord. So sei es ihm von seinen Altvorderen überliefert worden. Dieses obige Ereignis und die Aussage des Müllers gab nun Heimatforschern der Vergangenheit Veranlassung, der Historie näher auf den Grund zu gehen. Der Heimatforscher Heinrich Becker stellte 1936 fest, dass der Acker auf dem der Überlieferung nach der Stein gestanden haben soll, noch vor 125 Jahren der „Kreuzsteinacker“ in den Flurbüchern genannt wurde. Es besteht also Grund zu der Annahme, so schlussfolgert er, dass hier früher ein Kreuzstein oder Sühnekreuz stand und mit einer Inschrift versehen die Stelle bezeichnete, wo der Mord stattgefunden hatte. Da der Stein dem Grundstücksbesitzer beim Ackern stets im Wege war, wurde er wahrscheinlich eines Tages entfernt und achtlos beiseite geworfen oder für oben genanntes Mühlenbauvorhaben verwendet. Der Standort des Steins soll in der Nähe der Wegegabelung von Braunsdorf in Richtung Tischendorf gewesen sein.

Das Bittgesuch der Verwandten an den Landesherrn, Kurfürst August von Sachsen 1582 lautet:
„Wir hernach beschriebene von Adel, bekennen nach dem uns bewusst, daß sich im 63. Jahr ein Unfall durch Gottes Verhängnis, Gott sei es geklagt, zwischen den Edlen und Festen Caspar und Bernhard von Pölnitz, Gebrüdern, den Montag nach Trinitatis auf dem Wege gegen Braunsdorf zugetragen, daß Caspar durch einen Schuss Bernhard entleibet. Weil dann diese Sache sich vor so viel Jahren zugetragen und Gott der Allmächtige Caspar von Pölnitz bis daher das Leben gegönnet und Wolf Bernhard, der Sohn des Entleibten, seine mündigen Jahre erreicht hat, so haben wir als die Freunde auf Caspars Bitten und Ansuchen Wolf Bernhard zu Bitten vermocht und die Sache dahin bewogen, daß es gegen Gott und sie (die Verfasser) aus angeborener Freundschaft sie sich christlich und freundschaftlich vertragen wollen, dergestalt und also: erstlich hat Caspar den Wolf Bernhard gebeten, um Gotteswillen ihm dasjenige, was er an seinem Vater durch diesen Unfall verübt, was ihm gar Leid tut, zu verzeihen und zu vergeben. Das ist von Wolf Bernhard geschehen und erfolgt. Ferner hat Caspar eingewilligt, in Jahresfrist 50 Gulden zu geben, davon alle Jahre den Altarleuten zu Mittelpöllnitz 3 Gulden gegeben werden sollen auf den Tag Petri u. Paul und 3 Gulden auch an etwa vorhandene hausarme Leute in Mittelpöllnitz mit Vorwissen der von Pölnitz. Wir sind der untertänigen Hoffnung, daß seine Kurfürstlichen Gnaden die Strafe auf Caspar von Pölnitz untertäniges Ansuchen aus Gnaden fallen lassen. Damit nun diese Beredung von beiden Teilen soll treulich stets fest und unverbrüchlich gehalten werden, so haben wir als die benannten Freunde diesen Vertrag gezwiefacht und mit unsern angeborenen Petschaften bedruckt, auch ein jeder seinen Namen mit eigener Hand unterschrieben.
Geschehen den 14. Juli nach unseres wahren Erlösers und Seligmachers Geburt, im tausend fünfhundert und zwei und achtzigsten Jahr.“
Es folgen nun die einzelnen Unterschriften der Beteiligten:
Hans Heinrich u. Joachim v. Pölnitz zu Mittelpöllnitz (Söhne), Melchior Dietrich v. Pölnitz zu Tischendorf, Pancratz II. v. Pölnitz und Hans Wilhelm v. Pölnitz zu Wittchenstein, Balthasar v. Pölnitz zu Sorna (alle Personen Stt. I+II), ebenso auch Hans Dietrich v. Sparnbergk zu Wittchenstein, Gunther v. Bünau d.Ä. zu Pahren, Georg Heinrich v. Neundorf zu Linda, Wolf Joachim Raab zu Schneckengrün, Christoph v. Wilde zu Leubsdorf und Hans Veit v. Sparnbergk zu Gütterlitz.

Der damalige Kurfürst August von Sachsen ließ sich durch dieses Bittschreiben und dem persönlichen Gesuch des Caspar von Pölnitz dazu bewegen, ihn gänzlich zu begnadigen und sicheres Geleit zu gewähren. Caspar von Pölnitz kehrte daraufhin in seine Heimat zurück!
Wolfgang Schuster, Triptis/Oberpöllnitz 12/2008 - akt. 9/2017

Begnadigungsschreiben von Kurfürst August von Sachsen (R. 1553-1586)
Das Schreiben war an seine Räte zur Information und weiteren Verbreitung gerichtet.
Den Wohlgeborenen unseren lieben, getreuen, verordneten Stadthaltern und Räten zu Dresden!
Unseren Gruß zuvor wohlgeborene Räte und liebe Getreue. Es hat Caspar von Pölnitz, der anno 1563 seinen Bruder erschoss, uns untertänigst um Geleit und Sicherheit ersucht. Darüber haben wir zu befinden und diese Bitte zu erfüllen. Obwohl das eine ärgerliche Tat war, können wir aber aus den Unterlagen und Erzählungen nicht erkennen, ob der entleibte Bruder hierfür nicht auch Ursache mit gegeben hatte. Weil aber nunmehr eine lange Zeit der Bittende flüchtig gewesen ist und sich in spanischen Kriegszügen gebrauchen ließ, hat er seinem Bericht zufolge fast sein väterliches Erbe ganz verzehrt. Auch hat er sich mit dem Sohn des entleibten Bruders, Wolf Bernhard von Pölnitz, der seine mündigen Jahre erreicht hat, nunmehr vertragen. Deshalb haben wir dem Caspar von Pölnitz aus genannten Umständen und in Betracht, dass sich der Fall nicht in unserer Regierungszeit zugetragen hat, die Leibesstrafe aus Gnaden erlassen. Wir bewilligen ihm aus Gnaden wieder in unserem Land aufzunehmen. Deshalb begehren wir von euch Räten gnädigst, ihr wollt dafür sorgen, dass er Geleit erhält und in unserem Land sicher wieder bei seinem Weib und seinen Kindern wohnen kann. Das ist unsere gefällte Entscheidung.
Lichtenberg, den 11. September anno 1582
Augustus Rex

Die Texte wurden zum besseren Verständnis von mir größtenteils in die heutige Sprachform gebracht.
Wolfgang Schuster, Triptis/Oberpöllnitz 12/2018

Die ehemalige Tischendorfer Windmühle ca. 1930.